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Die Blutegeltherapie ist eine sehr alte Heilmethode. Erste schriftliche Schilderungen finden sich in der indischen und der chinesischen Medizin schon vor Beginn unserer Zeitrechnung. Auch in Europa war der Einsatz von Blutegeln von der Antike bis in das 19. Jahrhundert hinein eine beliebte, wirksame und weit verbreitete Therapieform.
Im antiken Griechenland findet sich die erste ausführliche Beschreibung des Einsatzes von Blutegeln im „Alixpharmacia“ von Kolophon (200-130 v. Chr.). Auf der Humoralpathologie (Säftelehre) fußend, die die europäische und arabische Medizin von der Antike bis in das 17. Jahrhundert maßgeblich prägte, wurden Blutegel eingesetzt, um „Fülle“-Zustände auszuleiten und so nach einer Störung im Körper ein natürliches Gleichgewicht wiederherzustellen. „Fülle“-Zustände, unter denen ein zuviel oder eine Stauung von „Säften“ (Blut, Lymphe und andere Körperflüssigkeiten) zu verstehen ist, sind durch Symptome wie Härte, Schwere, Starrheit, Spannung, Schwellung, Schmerz und Krämpfe gekennzeichnet.
In der römischen Medizin wurden die Blutegel auch in der militärischen Wundversorgung eingesetzt.
Im 17.Jahrhundert bekam die Humoralpathologie zunehmend Konkurrenz von neuen medizinischen Strömungen, die ausleitende Verfahren unterschiedlich beurteilten.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts, nach ersten wissenschaftlichen Studien, begann eine Zeit der „Blutegel“-Begeisterung. Nicht nur in der Therapie auch in der Mode, z.B. im Textildesign, waren Blutegelmotive „en vogue“ Im Laufe der nächsten 20-30 Jahren stieg die Zahl der bei einer einzigen Behandlung eingesetzten Egel auf bis zu 100 Tiere. Kritiker bezeichneten dies als „Vampirismus“, da der Blutverlust durchaus fatale Konsequenzen für die Patienten haben konnte.
Durch den vermehrten Einsatz von Blutegeln in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden die natürlichen Bestände so stark dezimiert, dass die Egel in Mitteleuropa praktisch ausgestorben waren. Egel mussten teuer importiert werden. Neben dem exzessiven Einsatz von Blutegeln, und den damit für die Patienten verbundenen gesundheitlichen Risiken, und den gestiegenen Kosten, entwickelte sich, nach der Entdeckung von Bakterien als Krankheitserreger durch Robert Virchow, ab 1850 eine Bakterienphobie. In Folge lies das Interesse an Blutegeln und ihrem therapeutischen Einsatz rasch nach. Erst das gestiegenen Interesse an alternativen naturheilkundlichen Therapien führte zur Rückbesinnung auf die therapeutischen Fähigkeiten von Blutegeln im 20. Jahrhunderts.
Weltweit gibt es etwa 600 Blutegelarten, von denen ca. 15 in der Heilkunde eingesetzt werden. In Mitteleuropa wird neben dem Medizinische Blutegel (Hirudo medicinalis) auch der Mediterrane Medizinischen Blutegel (Hirudo verbana, auch Ungarischer Blutegel genannt) in der Therapie eingesetzt. Im folgenden werden beide als Blutegel bezeichnt. Blutegel fühlen sich vor allem in schlammigen, stehenden Süßgewässern mit reichlich Wasserpflanzen wohl. Mittlerweile ist der Medizinische Blutegel in Europa nur noch in wenigen Gebieten in seiner natürlichen Umgebung zu finden. Er steht daher in Deutschland, der Schweiz, Frankreich und weiteren Ländern Europas unter Naturschutz. Ohne CITES-Bewilligung dürfen Wildegel nicht gesammelt werden. Das natürliches Verbreitungsgebiet ist Europa, Nordafrika und Kleinasien.
Egel gehören zu den Ringelwürmern und sind nahe Verwandte der Regenwürmer. Das Wort Egel leitet sich nicht, wie man meinen könnte, von dem deutschen Wort Ekel ab, sondern vom griechischen „echis“ und lässt sich als kleine Schlange oder freier als kleine Blutschlange übersetzen.
Außerhalb des Wassers bewegen sich Blutegel mit Hilfe von Saugnäpfen an den beiden Körperenden fort. Erwachsene Tiere werden ausgestreckt bis zu 15 cm lang und bei hellem Licht sowie bei einem Vorhandensein von Blut im Egel ist eine Rückenzeichnung zu erkennen. Hirudo medicinalis hat eine bräunliche bis olivgrüne Farbe, sechs meist rötliche Längsstreifen auf dem Rücken und schwarze Flecken auf dem Bauch – im Gegensatz zu Hirudo verbana, dessen Bauchseite einfarbig grün ist. Blutegel sind langlebig: Sie werden erst mit drei Jahren geschlechtsreif und über 30 Jahre alt.
Blutegel sind Zwitter, benötigen jedoch einen anderen Egel um sich fortzupflanzen. Die in einen in einem Kokon verpackten Eier werden im Schlamm abgelegt. Junge Blutegel fressen oder saugen zunächst kleine Wirbellose. Später saugen sie an Fröschen, Fischen und an Säugetieren. Ihre Beute finden sie aus mehreren Metern Entfernung mittels Tastorganen auf der Hautoberfläche. Haben sie ihre Beute gefunden, saugen sie sich an der Haut fest und öffnen diese mit Hilfe ihrer, mit scharfen Calcitzähnchen besetzten, drei Kiefer. So können sie selbst die dicke Haut von Pferden und Rindern durchdringen. Die zwischen den Kiefern mündenden Speicheldrüsen sondern dabei unter anderem den gerinnungshemmenden Stoff Hirudin ab. Der Saugakt dauert 30 bis 60 Minuten, dabei nimmt der Egel bis zum Fünffachen seines Körpergewichts an Blut auf. Das aufgenommenes Blut wird während des Saugens eingedickt und das Wasser wird über die Haut ausgeschieden. Nach Erreichen der Sättigung fällt das Tier von selbst von seinem Wirt ab. Das gesaugte Blut wird im Körper des Egels mit Hilfe von speziellen Darmbakterien konserviert, der Blutegel muss danach bis zu einem Jahr lang keine Nahrung mehr aufnehmen.
Der Speichel des Egels enthält mindestens 30 Substanzen die nicht nur blutgerinnungshemmend, sondern auch antithrombotisch, gefäßkrampflösend und lymphstrombeschleunigend wirken.
Blutegel werden daher vor allem bei Thrombosen und Venenentzündungen eingesetzt. Die Substanz Eglinose kann Entzündungen und Schmerzen lindern, sie werden zur Behandlung von rheumatischen Erkrankungen, Gelenkarthrosen, Rückenschmerzen, Tennisellenbogen, Hörsturz, Tinitus, Mittelohrentzündung, Durchblutungsstörung der Augen, peripheren Durchblutungsstörungen und peripherer arterieller Verschlusskrankheit (Schaufensterkrankheit) eingesetzt. Auch bei der Behandlung von Abzessen, Hämatomen und Gürtelrose werden Blutegel mit guten Erfolgen eingesetzt. Begleitend können Blutegel bei der Therapie entzündlicher Erkrankungen der inneren Organe eingesetzt werden.
Je nach Ort des Einsatzes und der Art der Grunderkrankung kann mit einer Besserung der Beschwerden, z.B. bei Gelenkschmerzen, von bis zu 4 Monaten gerechnet werden.
Für die Herstellung von Sportsalben, welche Hirudin als Wirkstoff verwenden, wird der Speichel von Blutegeln verwendet; darüber hinaus gibt es entsprechende Pflege-Kosmetika zur Förderung der Hautdurchblutung. Der Speichel wird gewonnen, ohne die Tiere zu töten.
Eine Behandlung mit Blutegeln findet in entspannter und ruhiger Umgebung statt, dies dient nicht nur dem Wohlbefinden des Patienten: Blutegel sind kleine und empfindliche Diven. Ist Ihnen die Umgebung zu laut, zu hell, zu kalt oder riecht der Patient falsch (z.B. nach Seife oder Parfüm) so lassen sie sich nicht anlegen, sondern versuchen sich möglichst unauffällig zu verdrücken. Je Behandlung werden zwischen 2 bis 6 Blutegel eingesetzt.
Fühlen sich die Egel jedoch wohl, „docken“ sie an. Nur zu Beginn spürt man ein leichtes Stechen, dann ist Zeit, die Egel ihren Job machen zu lassen und zu Ruhen. Nach einer halben bis zu einer Stunde sind die Egel satt und lassen sich fallen. Nun bleibt nur noch, die Stichstellen zu verbinden und die Behandlung ist abgeschlossen. Insgesamt sind eineinhalb bis zwei Stunden Zeit mitzubringen. Nach der Behandlung können folgende Nebenwirkungen auftreten: leichte Schmerzen, Blutung (verlängerte Nachblutung), juckende Hautrötungen um die Bissstelle. Seltener kommt es zu vorübergehende lokale Lymphknotenschwellung, Vernarbungen an der Bissstelle.
Nicht eingesetzt werden sollten Blutegel in der Therapie bei akuten Infektionskrankheiten, Anämien, Einsatz von Blutverdünnern und Blutgerinnungsstörungen, schweren Organerkrankungen, Wundheilungsstörungen (z.B. bei hochdosiertem Cortisoneinsatz) und Schwangerschaft.
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